Online-Gruppentreffen lebendig und kreativ zu gestalten, kann eine Herausforderung sein. Dr. Anke Wolfert gibt in Ihrem Workshop praktische Tipps und Tricks, wie das gelingen kann – egal ob im Bereich der Selbsthilfe oder darüber hinaus.
Speziell die Corona-Pandemie hat dazu geführt, dass mehr und mehr Veranstaltungen und Treffen digital stattfinden mussten. Man sitzt sich nicht mehr gegenüber, kann keinen Kaffee zusammen trinken und sich informell unterhalten oder in den Pausen die anderen besser kennenlernen. Es ist am Ende oft unpersönlicher und kann im schlimmsten Fall auch langweilig werden, als Teilnehmer*in allein vor dem heimischen Bildschirm zu sitzen und auf ausgeschaltete Kameras zu blicken. Das digitale Format bietet aber genauso Chancen Menschen teilhaben zu lassen und zu aktivieren – diese kann man sich zu Nutze machen!
Ob Gruppentreffen, Workshop oder Vortrag – jegliche Veranstaltungsformate lassen sich, wie jede gute Geschichte, grob in 3 Abschnitte unterteilen: Den Einstieg, einen Hauptteil und den Schluss.
Zum Einstieg:
Generell sollte der Einstieg natürlich positiv gestaltet sein, sodass die Teilnehmenden mit einem guten Gefühl in die Veranstaltung gehen. Hier eigenen sich z.B. kleine Anekdoten, vielleicht in Verbindung mit einem lustigen, interessanten oder ästhetischen Bild, ein auflockernder Witz, ein Video oder in religiösen Gruppen auch ein Gebet. Natürlich ist es toll, wenn dieser Einstieg ein Bezug zum Thema der Runde hat, jedoch ist dies gar nicht dringend erforderlich und kann auch gerade durch einen Kontrast funktionieren.
Auch eine Vorstellungsrunde bietet sich zu Beginn einer Veranstaltung an. Um hierbei gemeinsam warm zu werden, lohnt es sich diese interaktiv zu gestalten. Eine einfache Möglichkeit dies umzusetzen ist, seinen Bildschirm in Zoom freizugeben – Teilnehmende können dann in Echtzeit darauf zeichnen oder kommentieren.
Blenden Sie z.B. eine Karte ein, auf der die Teilnehmenden Ihren Wohnort markieren können. Vielleicht stellen Sie Fragen zu den Orten (“Was muss man sich anschauen, wenn man nach Osnabrück fährt?”) oder Sie haben selbst eine Anekdote dazu.
Beim “Flohmarkt” wird ein Bild mit verschiedenen Gegenständen eingeblendet, wobei sich alle auf einem Gegenstand markieren und anschließend kurz erläutern, warum Sie sich für den jeweiligen Gegenstand entschieden haben.
Ebenso kann man eine “Visitenkarte” mit verschiedenen Aussagen zeigen zu denen jede*r reihum kurze Antworten formuliert (z.B. “mich begeistert total…” oder “als ich heute morgen aufgestanden bin, habe ich gedacht…”)
Auch hier fällt wieder auf, dass der Bezug zum Thema für ein Warm-Up gar nicht zwingend erforderlich ist. Diesen kann man z.B. nach dem gemeinsamen Kennenlernen gut schaffen, in dem man die Teilnehmenden fragt, was Sie sich von der Veranstaltung erhoffen oder ob es Fragen gibt, auf die man sich eine Antwort erhofft. Diese kann man als Moderator*in bzw. Gruppenleitung notieren, um im Laufe der Veranstaltung darauf einzugehen. So werden die Erwartungen der Teilnehmenden aufgenommen und die Veranstaltung wird zu einem gemeinsamen Projekt.
Während des Hauptteils:
Um Teilnehmende zu aktivieren und animieren, reicht der Klassiker “Gibt es (noch)Fragen?” oftmals nicht. Vielleicht hat nicht jeder konkrete Fragen oder kann diese nur schwer formulieren – ein Gefühl und eine Meinung zu dem was passiert, werden jedoch die meisten haben.
Eine unkomplizierte Methode wäre also, nach jedem Kapitel oder Themenblock ein Stimmungsbild der Teilnehmenden einzufangen. Z.B. darüber wie man sich gerade fühlt, ob alles verständlich war, oder noch Fragen bestehen. Es kann schon reichen, hierfür den Chat zu nutzen und um ein “+” oder “-” zu bitten. Genauso geht es auch per Handzeichen oder kurzer Wortmeldung.
Aufbauend darauf bietet es sich an mehr Rückmeldungen zu erhalten, indem man anhand der Reaktionen anschließend gezielt bei einzelnen Personen nachfragt: “Was war Ihnen nicht klar?”, “Gibt es einen Grund, warum Sie nicht reagiert haben?” oder “hat Ihnen etwas besonders eingeleuchtet?”.
Losgelöst von einem Stimmungsbild und den Reaktionen kann man auch zwischendurch fragen, ob die Teilnehmenden mit dem aktuellen Punkt eigene oder andere Erfahrungen haben die sie teilen möchten.
Man sollte sich hier und auch generell nicht scheuen, abwechselnd oder reihum einzelne Personen direkt anzusprechen und mit einzubeziehen. Wenn jemand nichts sagen oder näher auf seine Reaktion eingehen möchte, ist das natürlich auch vollkommen in Ordnung – generell sollte man aber davon ausgehen, dass Teilnehmende insbesondere deswegen teilnehmen, weil sie sich austauschen und einbezogen werden möchten. Man macht es lediglich einfacher, in dem man durch konkrete Fragen und Anregungen einen Rahmen schafft.
Auch die weiter oben zum Einstieg erwähnten Fragen und Hoffnungen der Teilnehmer*innen sollten während des Hauptteils im Blick behalten werden und es sollte darauf geachtet werden, diese zum richtigen Zeitpunkt mit einzubeziehen.
Pausen sind wichtig:
Oftmals gibt es bei längeren Veranstaltungen lediglich eine Pause zur Halbzeit, in der alle kurz Ihre Kamera ausschalten und nach einigen Minuten Stille zurückkehren.
Doch vor allem kurze Pausen kann man öfter setzen und dann nutzen, um die Teilnehmenden zu aktivieren und daraus eine positive, gemeinsame Erfahrung zu machen. Zur Auflockerung bieten sich beispielsweise folgende Aktionen an:
ein kurzes Video vorführen, das zum Thema passt und/oder einfach unterhaltsam ist
Gemeinsam ein Quiz oder Bilderrätsel spielen, wobei man die Zeichenfunktion in Zoom nutzen kann, damit die Teilnehmenden ihre Antworten ankreuzen. Ebenso funktioniert damit etwas wie Sonntagsmaler.
Alle mit einer spielerischen “Aufgabe” in zufällige Kleingruppen aufteilen: findet möglichst viele Gemeinsamkeiten untereinander (“wir haben alle einen Hund” “wir haben alle studiert” “hören alle Rockmusik”, usw.) – die Gruppe mit den meisten Gemeinsamkeiten gewinnt.
Kleine “Gymnastikübungen”, die vielleicht auch im sitzen vor dem Bildschirm möglich sind. Bei “Alphabet” werden z.B. die Buchstaben nacheinander in steigendem Tempo aufgesagt und sind jeweils der linken, rechten, oder beiden Händen zugeordnet, die man dann schnell hebt.
Hier sind der Kreativität praktisch keine Grenzen gesetzt. Auch wenn es nur kurz ist, solange die Teilnehmenden ein positives und interaktives Erlebnis haben, fühlen sie sich automatisch wohler und aktivierter, wodurch automatisch auch Aufmerksamkeit und Engagement ansteigen.
Zum Schluss:
Ähnlich wie im Hauptteil einer Veranstaltung lohnt es sich gerade zum Schluss, den Teilnehmenden erneut einen Rahmen zu geben, indem sie (ggf. interaktiv) ihre Gefühle, Meinungen und Fragen mitteilen können. So kann auch hier zunächst ein Stimmungsbild eingefangen werden, was per Chat, Handzeichen oder beispielsweise auch über ein Bild mit einer Skala möglich ist, auf der die Teilnehmenden sich per Zeichenfunktion einordnen.
Anhand der Reaktionen könnte man dann wieder direkt einzelne Personen bitten, diese kurz für die Runde zu erläutern. Oder die Gruppenleitung stellt offene Fragen, die alle der Reihe nach beantworten: “Was hat dich nachdenklich gemacht?”, “Was hat dich überrascht?” oder “Was nimmst du mit?”
Eine andere Technik wäre das sogenannte 5-Finger-Feedback, das als Anleitung und Leitfaden für Teilnehmer*innen gedacht ist, um Feedback zu erleichtern. Hierbei geht man die Finger seiner Hand der Reihe nach durch und stuft einzelne Aspekte der Veranstaltung folgendermaßen ein:
- Daumen - War gut
- Zeigefinger - Hinweise
- Mittelfinger - War doof
- Ringfinger - Nehme ich mit
- Kleiner Finger - Kam zu kurz
Als letzte Möglichkeit gibt es noch digitale Tools wie Mentimenter oder Padlet, mit denen man das Feedback der Teilnehmenden interaktiv einholt und auch visuell sichtbar machen kann. Dadurch, dass alle es parallel und ohne sprechen nutzen können, geht es im zweifelsfall auch schneller, was gerade am Ende einer längeren Veranstaltung sicher auch erwünscht sein kann. Bei diesen Tools erhalten alle einen Link, in dem sie z.B. eintragen können, was alles gut war oder was sie aus der Veranstaltung positives mitnehmen.
Hier z.B. positives Feedback zu einer imaginären Person, das wir während des Workshops mit Mentimeter gesammelt haben.
Positives Feedback zu einer imaginären Person, das während des Workshops mithilfe des Tools Mentimeter gesammelt wurde.
Zusätzlicher Tipp: man macht vor dem Einholen des Feedbacks nochmal eine kurze Pause und regt ggf. dazu an, einfach ein paar Runden durch den Raum oder die Wohnung zu gehen, um zu reflektieren und die Gedanken zu sammeln.
Dieser Artikel von León Kühn erschien am 27.06.2022 im #WirSindParität-Blog.
Diese Veranstaltung der Selbsthilfeakademie fand im Rahmen des Digital-Festivals 2022 des Paritätischen Gesamtverbandes statt.
Dieser Online-Workshop der Selbsthilfeakademie Sachsen findet wieder am 7. Dezember statt. Infos und Anmeldung finden Sie hier. Einen weiteren Workshop der Dozentin Frau Dr. Wolfert zum Thema "Gute Kommunikationswege für die Gruppenorganisation in der Selbsthilfe" können Sie am 28. September besuchen.
Hier erhalten Sie weitere Informationen zu den aktuellen Aktivitäten des Projekts #GleichImNetz zur Digitalen Kommunikation des Paritätischen Gesamtverbandes.