Welche Konferenzsoftware ist die richtige für unsere Selbsthilfegruppe?

Frau am Laptop während einer Videokonferenz

Der Mediensoziologe Sascha Dinse gibt einen Überblick über die gängigen Videokonferenzsysteme und erläutert, welche Fragen Sie vorab klären sollten, um sich für ein Programm zu entscheiden.

Online-Konferenzen übertragen neben Sprache auch Videobilder – anders als bei einer klassischen Telefonkonferenz. Die Teilnehmenden können gemeinsam Dokumente betrachten und zum Teil auch bearbeiten. Welches Programm ist nun aber das richtige für eine Selbsthilfegruppe?

Sascha Dinse bringt es auf den Punkt: „Die ernüchternde Wahrheit: Es gibt nicht das eine ideale Videokonferenzprogramm, das alles kann. Wichtig ist, dass Sie Ihre konkreten Bedürfnisse und Ihre Ansprüche an ein Videokonferenzprogramm klar definieren, um die richtige Entscheidung für das eine oder andere Programm zu treffen.“

In einer Kurzumfrage unter den Workshop-Teilnehmenden zeigte sich, dass die Selbsthilfegruppen die Faktoren in Bezug auf Konferenzsoftware unterschiedlich gewichten. Einfache Nutzbarkeit, Datenschutz und „Software muss auf Mobilgeräten laufen“ wurden als sehr und eher wichtig beurteilt, während die Punkte „Software muss kostenlos sein“, „Möglichkeit anonymer Nutzung“ und „Software muss OpenSource sein“ als eher nicht wichtig betrachtet wurden.

1. Bestandsaufnahme

Planen Sie Ihre Online-Kommunikation langfristig. Sascha Dinse empfiehlt: „Denken Sie mindestens ein Jahr in die Zukunft. Wo möchten Sie hin? Ist die Software nur eine Überbrückungslösung oder soll sie ein zusätzlicher langfristiger Kommunikationskanal werden?“ Klären Sie daher zunächst Ihre Bedürfnisse zur Nutzung einer Videokonferenzsoftware. Stellen Sie sich folgende Fragen:

Konkrete Anforderungen: Wofür möchten Sie die Technik genau nutzen? Möchten Sie Videochats veranstalten oder soll mehr möglich sein, zum Beispiel Dateiablage oder die Nutzung als Diskussionsforum? Wie viele Teilnehmende sollen sich in der Videokonferenz treffen? Wie häufig und mit welcher Dauer soll die Lösung eingesetzt werden: wöchentlich mit 10 Personen oder regelmäßig mit 50 bis 100 Menschen?

Technische Gegebenheiten: Was für Geräte nutzen Sie und Ihre Mitglieder (Rechner, Tablet oder Handy)? Wie stabil ist jeweils die Internetverbindung?

Medienkompetenz: Wie sicher sind Sie und Ihre Zielgruppe im Umgang mit Medien? Welche Software ist für Ihre Mitglieder praktisch nutzbar?

Datenschutzvorgaben: Welche Regelungen existieren vom Verband, im Bundesland etc.? Gibt es Datenschutzbeauftragte, die Sie in die Planung einbinden müssen?

Besondere Anforderungen: Welche Besonderheiten müssen Sie berücksichtigen, wie zum Beispiel Barrierefreiheitsanforderungen oder rechtliche Anforderungen an Gesundheitsdaten?

2. Anforderungen an das Programm

Im nächsten Schritt definieren Sie die Anforderungen an das passende Videokonferenzprogramm. Behalten Sie die folgenden vier Faktoren im Blick.

Stabilität: Wie zuverlässig und stabil ist das Programm für Ihre Anforderungen? Beispielsweise ist die Echtzeit-Umwandlung von gesprochenem Wort zu Text (Untertitelung, Speech2Text) eine der Herausforderungen bei der barrierefreien Gestaltung für Menschen mit Wahrnehmungsbesonderheiten.

Kontrolle: Wollen Sie selbst bestimmen, auf welchem Server Ihre Daten stehen? Wollen Sie entscheiden können, ob Teilnehmende ein- oder ausgelassen werden (z.B. über Kenncode, Warteraum) oder ob der Ton bei Teilnehmenden individuell ein- und ausschaltbar ist?

Datenschutz und -sicherheit: Wo sollen aufgezeichnete Meetings gespeichert werden? Auf dem eigenen Rechner oder auf dem Server des Programms?

Erweiterbarkeit: Wollen Sie das Programm mit zusätzlichen Funktionen erweitern?

3. Was können die verschiedenen Konferenzsysteme?

Prinzipiell gibt es zwei unterschiedliche Typen von Videokonferenzprogrammen: mit und ohne eigenem Hosting auf einem Server. Aus Sicht der Datenhoheit und -sicherheit rät Sascha Dinse zu einer selbstgehosteten Lösung wie Jitsi, BigBlueButton oder NextCloud: „Noch dazu sind dies OpenSource-Programme, die außer für die Wartung und den Server keine weiteren Kosten erzeugen.“ NextCloud stellt im Vergleich zu den anderen Lösungen, die sich primär auf Online-Konferenzen beschränken, eine voll entwickelte Plattform-Lösung dar, die beliebig erweitert werden kann (Foren, Chatrooms, Dateiablage und vieles mehr).

Den Nachteil der selbst gehosteten Lösungen fasst der Mediensoziologe so zusammen: „Ein eigener Server ist sinnvoll, aber Einrichtung, Wartung und Updates müssen Sie selbst sicherstellen und das kostet vor allem Zeit. Es gibt jedoch mittlerweile eine Vielzahl von Anbietern, die das Hosting für Sie übernehmen. In diesem Fall entstehen natürlich laufende Kosten. Bei den anbieterseitig gehosteten Programmen wie Zoom, GoToMeeting, WebEx fällt dieser Aufwand weg. Dafür müssen Lizenzen gekauft werden und Sie können die Programme nur sehr eingeschränkt an Ihre individuellen Anforderungen anpassen."

4. Tipps für mehr Sicherheit

  • Probieren Sie das Programm mit anderen aus Ihrer Gruppe aus.
  • Schützen Sie sich. So wie Sie Ihre Wohnungstür beim Verlassen abschließen, sollten Sie auch Ihre virtuellen Räume durch Passwörter oder einen Warteraum schützen.
  • Verwenden Sie sichere Passwörter. Empfehlenswert sind Kombinationen aus Groß- und Kleinbuchstaben, Zahlen und Sonderzeichen. Die Länge eines Passwortes sollte heutzutage mindestens zwölf Zeichen betragen

Eine Übersicht mit Vor- und Nachteilen zu den gängigen Videokonferenzsoftwareprogrammen finden Sie im gleichnamigen Artikel in der Arbeitshilfe „Digital durchstarten in der Selbsthilfe!“ der Selbsthilfeakademie Sachsen.


Sascha Dinse ist Diplom-Soziologe und arbeitet seit 2016 als freiberuflicher Dozent für Social Media, Online-Marketing und Medienkompetenz. Er ist tätig für Schulen und Hochschulen, Bildungsträger, soziale Verbände und Unternehmen.

Redaktion: Carolin Schulz


Linktipp:

Das Projekt #GleichImNetz des Paritätischen Gesamtverbandes bietet in seinem Webzeugkoffer viele Tipps zu digitalen Anwendungen, darunter auch die Entscheidungshilfe „Welcher Videokonferenzanbieter passt zu uns?“:

www.der-paritaetische.de/webzeugkoffer


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