WhatsApp & Co: Welcher Messenger ist der richtige für die Selbsthilfe?

Logos verschiedener Messengerdienste

Messenger-Dienste, allen voran WhatsApp, sind aus dem Leben vieler Selbsthilfegruppen kaum mehr wegzudenken. Allerdings birgt WhatsApp hinischtlich der Datensicherheit Risiken. Wir sprachen mit dem Mediensoziologen Sascha Dinse über WhatsApp & Co. und welcher Messenger der richtige für Selbsthilfegruppen ist.

55 Millionen Menschen in Deutschland nutzen WhatsApp. Auch Ihre Umfrage unter den Workshop-Teilnehmenden zeigte, dass fast alle WhatsApp kennen. Warum sollten Selbsthilfegruppen WhatsApp besser nicht nutzen?

Sascha Dinse: WhatsApp ist zweifellos eine extrem verbreitete und einfach zu nutzende Messenger-Lösung. Gleichwohl birgt WhatsApp nach wie vor ein massives Problem: Nicht alle übertragenen Informationen sind wirksam verschlüsselt. Zwar werden die Inhalte der eigentlichen Nachrichten seit Ende 2015 wirksam verschlüsselt, das trifft aber nicht auf Metadaten wie die Telefonnummern der Nutzer*innen oder Ähnliches zu. Diese werden nach wie vor im Klartext übertragen. Auch Facebook hat Zugriff darauf und kann dadurch eine Beziehung zwischen Nutzer*innen von WhatsApp und Facebook herstellen. Eine Telefonnummer gilt aber als personenbezogene Information und unterliegt daher den Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Um datenschutzrechtliche Probleme zu vermeiden, sollten Selbsthilfegruppen mittelfristig über einen Umstieg auf besser geeignete Lösungen wie beispielsweise Signal, Threema oder Wire nachdenken. Denn immerhin lässt sich aus der Telefonnummer recht einfach auf konkrete Personen rückschließen. Und diese und weitere Metadaten werden unter anderem für Werbeausspielungen verwendet.

Was bedeutet „aktive Ende-zu-Ende-Verschlüsselung“ und muss diese extra eingestellt werden?

Sascha Dinse: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass nur die sendende und die empfangende Person in der Lage sind, eine Nachricht im Klartext zu lesen. Beim Senden wird die Nachricht vom Sender verschlüsselt und zwar auf eine Art und Weise, die ausschließlich den beabsichtigten Empfänger*innen eine Entschlüsselung (und damit Lesbarmachung) erlaubt. Selbst wenn jemand eine Ende-zu-Ende-verschlüsselte Nachricht abfängt, die für andere Augen bestimmt ist, ist diese unlesbar.

Messenger-Dienste wie WhatsApp, Signal und Threema verfügen standardmäßig über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Diese ist immer aktiv und muss nicht speziell angeschaltet werden. Bei Telegram und im Facebook-Messenger (wenn dieser als App verwendet wird) müssen verschlüsselte Gespräche jedoch nutzseitig erst aktiviert werden! Normale Gespräche in den beiden letztgenannten Apps sind demnach nicht automatisch Ende-zu-Ende-verschlüsselt. Das bedeutet, dass die Anbieter Klartext-Zugriff auf alle übermittelten Inhalte haben, was besonders bei Kommunikation zu gesundheitlichen und generell privaten Themen aus Datenschutzperspektive nicht akzeptabel i

Mit welchem Argument kann man die eigene Gruppe überzeugen, von WhatsApp auf einen sicheren Messenger-Anbieter umzusteigen?

Sascha Dinse: Ich glaube, dass der Aspekt des Schutzes der Privatsphäre das Hauptargument sein sollte. Im Selbsthilfebereich geht es häufig um sehr private, intime und gesundheitliche Themen. Diese Kommunikation sollte als besonders sensibel betrachtet werden (und nach DSGVO Art. 9 wird sie das auch). Gleichzeitig ist der Aufwand für einen Umstieg gering. Hier muss nur einmalig der innere Schweinehund überwunden werden, um eine der besser geeigneten Apps zu installieren.

Warum sind Signal oder Threema wirkliche Alternativen? Was sind hier die Vorteile?

Sascha Dinse: Um es kurz zusammenzufassen: Signal und Threema (sowie auch einige andere Vertreter) machen es hinsichtlich Verschlüsselung, Datenschutz und Privatsphäre einfach besser als WhatsApp. Sie sind ebenso einfach zu benutzen, es werden aber keine (Meta-)Daten im Klartext übertragen und Facebook hat auch nicht seine Finger im Spiel.

Wenn eine Selbsthilfegruppe einen Messenger-Dienst nutzen möchte, welche Kriterien sollte sie bei der Entscheidung beachten?

Sascha Dinse: Grundsätzlich sollte die DSGVO-Kompatibilität das Hauptkriterium sein. Dies beinhaltet das Vorhandensein einer wirksamen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (bei der auch Metadaten wie Telefonnummern verschlüsselt werden) und idealerweise einen Server-Standort innerhalb der Europäischen Union. Ebenfalls ratsam ist es, auf eine Opensource-App zu setzen, da hierbei der Programmcode eingesehen und auf eventuelle Schwachstellen hin untersucht werden kann.In der Praxis sollte ebenfalls darauf geachtet werden, ob die App auch auf älteren Smartphones läuft, denn nicht alle Mitglieder einer Selbsthilfegruppe verfügen im Zweifelsfall über topaktuelle Geräte

Herr Dinse, vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Carolin Schulz, Referentin für Selbsthilfe und Öffentlichkeitsarbeit in der Selbsthilfeakademie Sachsen.


Weiterführende Dokumente:

Eine Übersicht über die Vor- und Nachteile verschiedener Messenger-Dienste finden Sie im gleichnamigen Artikel in der Arbeitshilfe „Digital durchstarten in der Selbsthilfe!“ der Selbsthilfeakademie Sachsen.